Es ist ein Teufelskreis: Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen einander und verstärken sich gegenseitig. Das Resultat: erschöpfte und kranke Mitarbeitende.
Die Zusammenhänge zwischen Personalmangel und Krankenstand sind viel größer, als bisher vermutet. Das zeigt der neue DAK-Gesundheitsreport. Ein besonderes Krankheitsrisiko besteht für Beschäftigte in der Pflege und Kinderbetreuung.
Der Personalengpass in Deutschland steigt stetig. Bis 2023 werden nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen - ein gigantisches Problem für die Versorgung wie auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Wie stark diese Lücke heute schon die Gesundheit der Beschäftigten bedroht, zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport "Gesundheitsrisiko Personalmangel – Arbeitswelt unter Druck".
Arbeit am Limit macht schlaflos und krank
Schon heute, so die Studienergebnisse, erleben 45 Prozent der Beschäftigten regelmäßig Personalmangel im eigenen Arbeitsbereich. Nur 12,6 Prozent der Beschäftigten sind nicht von Personalmangel betroffen.
Arbeiten, obwohl das Personal nicht ausreicht, zeigt sich der Studie zufolge als Arbeit am Limit: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Betrieben mit Personalnot und Fachkräftemangel ist häufig oder sehr häufig müde und erschöpft (54 Prozent). Rund ein Drittel (35 Prozent) berichtet von nächtlichen Schlafstörungen oder Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems, wie Rückenschmerzen, und beinahe jeder Vierte (23 Prozent) leidet unter Kopfschmerz.
Die Betroffenen berichten von starkem Termin- und Leistungsdruck, von Überstunden und versäumten Pausen. Wer regelmäßig Personalmangel erlebt, kann in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichtet auf Sport und findet wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde. Stress und Druck einerseits sowie fehlende Erholung und Ausgleich andererseits beeinflussen die Gesundheit negativ.
Krankheitsrisiko von Pflegekräften steigt durch Personalnot
Besonders betroffen sind Kranken- und Altenpflegekräfte sowie alle, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Der Krankenstand in diesen Berufsgruppen liegt mit 7 Prozent in der Altenpflege, 6,8 Prozent im Erziehungsbereich und 6,1 Prozent in den medizinischen Gesundheitsberufen deutlich über dem Durchschnitt (5,5 Prozent).
Das kommt nicht von ungefähr: Fast Dreiviertel der Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen sowie fast zwei Drittel der Altenpfleger und Altenpflegerinnen geben an, in den letzten zwölf Monaten konstant oder häufig von Personalmangel betroffen gewesen zu sein und ihre Arbeit mit dem vorhandenen Personal nur unter großen Anstrengungen zu schaffen.
Gründe für den Personalmangel waren vor allem in der Kinderbetreuung und der Krankenpflege sowohl ungewöhnlich viele, unerwartete Personalausfälle als auch allgemein zu wenige Mitarbeitende. Die Erhebung zeigt, dass die Beschäftigten in diesen Berufen als Konsequenz auf die personelle Unterbesetzung überdurchschnittlich häufig ihre Arbeitszeit reduzieren.
Ebenfalls erhöht ist der Krankenstand in den Verkehrs- und Logistikberufen (6,2 Prozent).
Teufelskreis Präsentismus: In Branchen mit Personalmangel besonders hoch
Je extremer die erlebte Personalnot, desto stärker neigen die Beschäftigten zu Präsentismus. So haben 70 Prozent der Beschäftigten in Organisationen mit regelmäßigem Personalmangel in den vergangenen zwölf Monaten gearbeitet, obwohl sie krank waren, gegenüber 41 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen ohne Personalmangel.
Als regelrechten "Teufelskreis" bezeichnet Volker Nürnberg, Partner bei BearingPoint und wissenschaftlicher Begleiter des DAK-Gesundheitsreports, diesen Mechanismus: "Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen einander und verstärken sich jeweils in den Effekten." Personalmangel führe aufgrund von Stress und Belastungen zu einem höheren Krankenstand, der wiederum den Personalmangel erhöhe, weil krankgeschriebene Mitarbeitende ersetzt werden müssen. "Besonders der Anstieg an psychischen Erkrankungen konnte in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden," erklärt der BGM-Experte. Für die Unternehmen ergäben sich dadurch neue Managementaufgaben: Wichtig sei, die Verhältnisse beispielsweise im Gesundheitswesen – und besonders dort – proaktiv zu verändern. Dies beginne bei Schichtplänen, gehe über Personaleinsatzplanung bis hin zu den Softskills gesunder Führung, Kultur und Kommunikation.
Für den DAK-Report wurden die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten ausgewertet und mehr als 7.000 Erwerbstätige befragt.