Online-Atteste und die Krankschreibungen per Telefon können Ansteckungen vermindern und Bürokratie vermeiden. Nachdem die Corona-Regelungen dazu ausgelaufen sind, wird per Gesetz ermöglicht, dass die Krankschreibung bei leichten Erkrankungen auch künftig nach telefonischer Anamnese erfolgen kann. Ein Überblick.
Der Produktionsausfall durch krankgeschriebene Beschäftigte kostet die deutschen Unternehmen jährlich rund 150 Milliarden Euro (Bruttowertschöpfungsausfälle), so die Schätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) für 2019. Die tatsächliche Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage differiert von Jahr zu Jahr zum Teil, auffällig ist allerdings eine deutliche Korrelation mit der Konjunktur.
In Krisen wie der Coronapandemie reduzieren sich die Fehltage der Beschäftigten häufig. Erklärungen können teilweise in einer neu entdeckten Solidarität mit dem kriselnden Unternehmen, in der Angst vor Arbeitsplatzverlust oder auch in der Tatsache liegen, dass viele Beschäftigte bei bestimmten Krankheitsanzeichen zwar nicht zur Arbeit gehen würden, im Homeoffice aber durchaus tätig sind.
Die Krankschreibung als Kostenfaktor
Arbeitgeber haben nach dem Gesetz das Recht, vom erkrankten Arbeitnehmenden bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz). Ab wann die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch ein Attest belegt werden müssen, regeln die Unternehmen in Deutschland dennoch unterschiedlich. In vielen Unternehmen ist es üblich, dass erst ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Attest vorgelegt werden muss. Andere Betriebe verlangen eine ärztliche Krankschreibung tatsächlich bereits ab dem ersten Fehltag oder sehen hier unterschiedliche Fristen für Produktions- und Verwaltungsmitarbeitende vor.
Im Ausland ist man zum Teil deutlich großzügiger beim Verlangen eines Attests: In Schweden kann man in der Regel eine Woche ohne ärztliche Krankschreibung fehlen, andere Länder haben gar die Regelung, die Unternehmen mit circa 200 Euro an den Kosten der Krankschreibung zu beteiligen, sollte man auf den gelben Schein bestehen. So ist die deutsche Regelung einer der Gründe dafür, dass wir in Deutschland mit circa 15 bis 20 Arztbesuchen pro Einwohner das weltweite Ranking anführen.
Digitale oder telefonische Krankschreibung: neue Verfahren im Überblick
Doch hat die deutsche Bürokratie sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren positiv bewegt: Inzwischen wurde die Krankschreibung digitalisiert.
Die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch eine digitale Schnittstelle zwischen Krankenkassen und Arbeitgeber ist zum 1. Januar 2023 erfolgt. (Lesen Sie dazu: Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ab 2023 Pflicht). Das bringt große Vorteile. So kann die Krankschreibung direkt in das Zeiterfassungssystem der Firma eingespielt werden. Das kann die Firma zum einen für die Personalplanung nutzen, zum anderen spart sie sich die Zeit und Arbeit der AU-Erfassung und verhindert den damit einhergehenden Zeitverzug.
Für die Mitarbeitenden enthält eine digitale Übermittlung der Krankschreibung den weiteren Vorteil, dass der ausstellende Facharzt anonymisiert wird. Der frühere Zustand, dass die Firma sehen konnte, dass eine Mitarbeiterin im gebärfähigen Alter vom Gynäkologen oder andere Mitarbeitende vom Psychiater krankgeschrieben wurden, war datenschutzrechtlich höchst bedenklich.
Krankschreibung per Telefon
Seit August 2022 konnten Patientinnen und Patienten, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden (Diagnose J06 - akute Infektionen der oberen Atemwege) wegen des Verdachts auf Covid telefonisch bis zu sieben Kalendertage krankgeschrieben werden. Diese Möglichkeit war zunächst befristet, der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sie dann bis zum 31. März 2023 verlängert. Arbeitnehmende konnten bei einer akuten Infektion der oberen Atemwege ihre Diagnose und die Krankschreibung vom Arzt über einen Telefonanruf erhalten, ohne sich direkt in der Praxis vorstellen zu müssen. Dasselbe galt für eine Verlängerung der Krankschreibung um sieben Tage. Damit sollte das Risiko weiterer Ansteckungen durch den Kontakt hochansteckender Personen in der Arztpraxis mit anderen Arztbesuchern und dem Praxispersonal vermieden werden.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVV), regelt u. a. eine Ergänzung des § 92 Abs. 4a SGB V. Durch diese Erweiterung des § 92 Abs. 4a SGB V wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) Regelungen zur telefonischen Krankschreibung festzulegen.
Gesetzgeber gibt Rahmen für den G-BA vor
Gesetzlich ist festgelegt, dass die Krankschreibung bei leichten Erkrankungen auch künftig nach telefonischer Anamnese erfolgen kann. Eine Beschränkung auf leichte Atemwegserkrankungen – wie während der Corona-Pandemie – gibt es nicht mehr. Diese Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung soll ausschließlich für Patientinnen und Patienten gelten, die in der jeweiligen Arztpraxis bereits bekannt sind. Unbekannte Patientinnen und Patienten können weiterhin nur nach einer persönlichen Vorstellung in der Arztpraxis krankgeschrieben werden. Der Gesetzgeber hat dem G-BA dafür eine Frist von sechs Monaten beginnend ab dem Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes eingeräumt.
Telemedizin: Krankschreibung per Videosprechstunde
Auch hinsichtlich einer Videosprechstunde hat der G-BA grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, Versicherte telemedizinisch krank zu schreiben. Möglich sind hier zunächst nur Erstkrankschreibungen. In der virtuellen Praxis persönlich bekannte Versicherte können sich danach bis zu sieben Kalendertage krankschreiben lassen, dem attestierenden Arzt unbekannte Versicherte bis zu drei Kalendertage. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass es sich um eine Diagnose handelt, die für die Telemedizin geeignet ist, konkret dürfen also beispielsweise keine körperlichen Untersuchungen notwendig sein. Übliche Diagnosen sind Erkältungen, Magen-Darm-Probleme, aber auch Depressionen.
Diese Variante der Krankschreibung scheint sehr zuverlässig und enthält viel Potenzial sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmende. Da der BGH die Möglichkeiten der Werbung für Telemedizin sehr eng gefasst hat, ist die Nutzung allerdings aktuell noch verschwindend gering, sodass die telemedizinische Krankschreibung in der Praxis kaum von Bedeutung ist.
Krankschreibung per Online-Fragebogen: Zweifel an der Zulässigkeit
Seit wenigen Jahren kursiert im Internet die meist nur begrenzt legale und mit großer Vorsicht zu genießende Möglichkeit für Beschäftigte, sich per Online-Fragebogen krankschreiben zu lassen. Dabei müssen Mitarbeitende zunächst in finanzielle Vorleistung gehen - knapp zehn Euro kostet diese nicht von den Krankenkassen übernommene Dienstleistung verschiedener Anbieter. In der Regel werden nur Kurzzeit-Arbeitsunfähigkeiten von höchstens drei Tagen Dauer bescheinigt. Typische Diagnosen sind Magen-Darm-Erkrankungen, Migräne, Rücken-/Regelschmerzen und Erkältungen.
Dieser kurze Weg zur Krankschreibung - für viele Personalabteilungen eine Horrorvorstellung – ist auch für die Beschäftigten mit Kosten und Risiken verbunden. So hat das Arbeitsgericht Berlin im Sommer 2021 entschieden, dass eine Online-Krankschreibung ohne persönlichen oder telefonischen Arztkontakt die Voraussetzungen für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erfüllt. Der Arbeitnehmer hatte damit den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verloren.
Krankschreibung: Hausarzt bleibt der bevorzugte Weg
Zusammenfassend kann man feststellen, dass durch die Digitalisierung und die Pandemie neue Wege der Krankschreibung aufgekommen sind. Jedoch ist die Krankschreibung durch den Hausarzt in den allermeisten Fällen immer noch der bevorzugte Weg. Der Ärztemangel im ländlichen Raum sowie die fortschreitende digitale Affinität der Bürger wird in naher Zukunft jedoch sicher dazu führen, dass die telemedizinische Variante deutlich zunehmen wird.